Nach einem doch sehr ungewöhnlichen Jahr gleich zu Beginn die Frage: Wie ist es der W.E.B im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie ergangen?
Frank Dumeier: Auch wenn es angesichts des Leids und der Unsicherheit, die Covid-19 vielen Menschen gebracht hat, etwas eigenartig klingt: Wir hatten ein gutes Jahr und konnten bei der Produktion einen neuen Rekord erreichen. Natürlich hat die Pandemie auch unsere Tätigkeit in vielerlei Hinsicht beeinflusst – aber sie konnte den Wind nicht aufhalten. Und so haben wir 2020 mit 1.302 GWh um 7,1 % mehr Strom erzeugt als im Jahr zuvor, obwohl das Windaufkommen sogar leicht unter dem langjährigen Durchschnitt lag. Das hat allerdings Anstrengungen auf allen Ebenen erfordert, denn unser betrieblicher Alltag wurde durch die umfangreichen Einschränkungen nicht gerade einfacher.
Wo haben Sie die pandemiebedingten Einschränkungen denn am meisten gespürt?
Michael Trcka: Wie viele andere Unternehmen haben wir den Bürobetrieb mit dem ersten Lockdown wo immer möglich ins Homeoffice verlagert. In der Leitzentrale haben wir das Team in zwei Gruppen geteilt, um einerseits die Ansteckungsgefahr zu reduzieren und andererseits immer eine Reservemannschaft zur Verfügung zu haben. Mit Videokonferenzen haben wir dank unserer internationalen Aufstellung schon seit Jahren Erfahrung. Da wir es gewohnt sind, unsere Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Italien, Frankreich, Kanada oder den USA in Meetings online zuzuschalten, hatten wir in dieser Hinsicht einen Startvorteil. Neu war, dass wir nun alle vor dem Bildschirm saßen, und nicht nur unsere Kollegen aus dem Ausland – das hat unser Team vielleicht sogar noch stärker zusammengeschweißt.
Frank Dumeier: Dass das Internet so gut wie immer klaglos funktioniert hat, hat uns natürlich sehr geholfen – in der Kommunikation und Abstimmung ebenso wie bei der Steuerung unserer Anlagen, die alle mit der Leitzentrale verbunden sind. Während das laufende operative Geschäft also trotz der Lockdowns sehr gut funktioniert hat, mussten wir bei Projekten in der Bauphase und bei Servicearbeiten infolge der Reisebeschränkungen teils sehr flexibel und unkonventionell agieren, denn naturgemäß werden dafür Equipment und Mitarbeiter vor Ort benötigt. Aber auch das ist sehr gut gelungen. Einmal mehr haben unsere Mitarbeiter auch hier ihr Engagement, ihre Kreativität und ihren Teamgeist bewiesen. Selbst die Bauarbeiten an unserem neuen Windpark Tortefontaine in Frankreich haben sich gerade einmal um vier Wochen verzögert. Wo wir durch Corona allerdings mehr Zeit verloren haben, war die Entwicklung neuer Projekte. Denn durch die Lockdowns und Reisebeschränkungen waren sowohl unsere eigenen Mitarbeiter als auch unsere externen Ansprechpartner – von Grundeigentümern über Gemeindevertreter bis hin zu Gutachtern und Planern – in ihrem Aktionsradius eingeschränkt, und auch die Behördenverfahren konnten zum Teil nicht wie erhofft geführt werden. Im Schnitt gehen wir je nach Projekt von einem Zeitverlust von bis zu neun Monaten aus, die wir aber so bald wie möglich aufholen wollen.
Und wie sah es 2020 betriebswirtschaftlich aus?
Michael Trcka: Der schon erwähnte neue Produktionsrekord bildet natürlich eine gute Basis für die Umsatz- und Ergebnisentwicklung. In dieser Hinsicht ist 2020 im Wesentlichen alles nach Plan gelaufen, auch Corona hat sich kaum auf unsere Zahlen ausgewirkt. Kurzfristig hatten die Lockdowns zwar Effekte auf die Strompreise, die Auswirkungen auf unsere Umsätze hielten sich aber in Grenzen, da für den Großteil unseres Stroms langfristige Abnahmeverträge bestehen. Wir haben bewusst auf die Möglichkeit zur Kurzarbeit verzichtet und uns aktiv auf die Zeit nach der Pandemie vorbereitet. Was wir hingegen nutzen, ist die von der österreichischen Bundesregierung geschaffene Investitionsprämie zur Abfederung der Folgen von Covid-19 – wir wollen das volle Volumen von 50 MEUR ausschöpfen. Insgesamt haben wir 2020 ein Umsatzvolumen von 106 MEUR erreicht. Damit liegen wir auch wieder über der 2019 erstmals erreichten Marke von 100 MEUR. Das Ergebnis liegt mit 15,5 MEUR etwas unter dem Vorjahr.
2019 hatten Sie rund 60 MW an neuer Erzeugungskapazität in Betrieb genommen – wie sieht der Anlagenzuwachs des Jahres 2020 aus?
Frank Dumeier: Der Zuwachs ist nicht so stark wie im Jahr zuvor, aber ebenfalls sehr zufriedenstellend. Neben dem schon erwähnten Windpark Tortefontaine im französischen Departement Pas-de-Calais mit 18 MW sind in Österreich 2020 fünf Photovoltaikanlagen mit insgesamt etwas mehr als 2 MWp ans Netz gegangen. In Summe haben wir damit mehr als 20 MW neu in Betrieb genommen, sodass wir nun insgesamt bei einer Erzeugungsleistung von 523 MW liegen.
Das Umfeld für Ihr Geschäftsmodell gestaltet sich ja immer positiver – ich denke etwa an den „European Green Deal“ oder das Projekt „Next Generation EU“. Zuletzt hat auch der neue US-Präsident den Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen verkündet.
Frank Dumeier: Das stimmt einerseits, immer mehr Länder bekennen sich zum Klimaschutz und zur Energiewende und setzen klare Ziele zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft. Insofern sind die erwähnten Initiativen und Schritte auch sehr wichtige und richtungsweisende Impulse. Es ist aber noch wichtiger, dass das Bewusstsein um die elementare, lebenswichtige Bedeutung des Klimaschutzes auch wirklich in der breiten Bevölkerung ankommt. Das setzt eine Vielzahl von Maßnahmen voraus, die weit über politische Bekenntnisse hinausreichen. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass die „Fridays for Future“-Bewegung um Greta Thunberg durch die Covid-19-Pandemie so stark eingebremst wurde. Ihre Stimme in der Öffentlichkeit wäre gerade jetzt wichtiger denn je. Wir hoffen dennoch, dass es tatsächlich gelingt, den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronakrise wie geplant nachhaltig auszurichten. Die einzelnen Staaten sind in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs. Italien hat zum Beispiel große Teile der Corona-Wirtschaftshilfe der EU in die Komplexitätsreduktion in der Verwaltung investiert und sich damit durchaus als Vorreiter erwiesen. Das bringt erhebliche Verfahrenserleichterungen für Erneuerbare-Energie-Projekte. Davon profitieren übrigens auch wir. Denn wir sind gerade dabei, die installierte Leistung und damit auch die zukünftige Stromproduktion im Windparkprojekt Ariano durch Um- und Ausbauten deutlich zu steigern, und das ohne ein aufwendiges neues Genehmigungsverfahren.
Wie beurteilen Sie die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Deutschland?
Michael Trcka: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Novelle bringt eine Reihe von Verbesserungen, zum Beispiel Vereinfachungen bei Flächenausweisen und Genehmigungsverfahren oder einen moderaten Nachfolgetarif nach Auslaufen der Förderung. Ein sehr positiver Impuls ist auch die nun vorgesehene Beteiligung der lokalen Gemeinden am Ertrag der Anlagen: Sie können künftig bis zu 0,1 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom erhalten, da kann bei größeren Anlagen schon einiges zusammenkommen. Das wird entscheidend zur höheren Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen. Da es heute ja weniger um die Wirtschaftlichkeit von Wind- und Sonnenkraftwerken geht als primär um die Bereitschaft von Politik, Gemeinden und Anrainern, Anlagen zuzulassen, sehen wir dieses Incentive für die Gemeinden sehr positiv.
Dass die USA jetzt wieder offen für den Klimaschutz eintreten, ist natürlich sehr erfreulich. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sich auch unter Präsident Trump zahlreiche Bundesstaaten sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt haben, auch republikanisch regierte. Unter Joe Biden wird diese Dynamik unserer Einschätzung nach noch zunehmen. Deshalb werden wir unsere Aktivitäten in Nordamerika sicher weiter intensivieren.
Stichwort „intensivieren“ – wie sieht es mit Wachstum aus?
Frank Dumeier: Unser Wachstumskurs gilt unverändert und wird in den kommenden Jahren sogar noch ausgebaut. Auch wenn wir in der Projektierung pandemiebedingt wie erwähnt ein paar Monate verloren haben – 2021 wird das bisher stärkste Baujahr in unserer Geschichte. Insgesamt stehen acht Kraftwerksparks mit einer Kapazität von mehr als 150 MW in Bau bzw. kurz vor dem Baustart. Konkret sind dies drei Windparks in Österreich (Grafenschlag II, Matzen-Klein-Harras II und Spannberg III), ein Windpark (Silver Maple) und zwei Photovoltaikanlagen (Brookfield und Brimfield) in den USA sowie ein Windpark (Ariano) in Italien. Hinzu kommt noch die Akquisition einer Photovoltaikanlage (Venafro) in Italien. Mit diesen Projekten, die großteils 2022 ans Netz gehen sollen, gewinnen wir etwa 390 GWh an Jahresproduktion hinzu. Die Investitionen dafür betragen rund 150 MEUR.